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Nachdenken:
Bildekräfteleib und Typus
Dieses Einwirken des Bildekräfteleibes [a] bezieht sich allerdings eher auf die Interaktion schon gebildeter Arten. Wenn wir aber jetzt noch einmal auf dieses wunderbare Fangorgan des Wasserschlauchs [b] schauen und uns vorstellen, dass es da zuvor nur das einzelne Blatt gibt: wie können wir uns den konkreten Schritt der Umbildung vorstellen? Wie würde es sich einem imaginären Beobachter darstellen, dass eine bisher nur von Photosynthese [c] lebende Pflanze plötzlich ein Fangorgan bekommt, also etwas ganz Neues entsteht?
Das ist nicht so schwer zu verstehen, man müsste nur die verschiedenen Stadien seiner embryonalen Entwicklung beobachten! Alle organischen Bildungen fangen auf völlig indifferenziertem Niveau an, sogar wir selber mit der Bildung unseres Leibes,[d] und in dieses ungeformte, noch offene Material arbeitet der Ätherleib [a] den neuen Bilde-Impuls hinein. Natürlich sind da bereits alle spezifischen Gene darinnen, aber solange die nicht exprimiert sind, ist ganz offensichtlich da noch viel Verwandlungsmöglichkeit darin - wie ja alle in diesem Bereich durchgeführten Herumbasteleien zeigen.
Denken Sie nur einmal daran, was aus einem Blatt - genauer: einer embryonalen Blatt-Anlage - alles gebildet werden kann! Es kann in Blütenstaub zerfallen, welcher der Befruchtung dient; es kann sich zu einem Schlauch zusammenfalten und im Innern Samenanlagen ausbilden wie bei der Erbse. Es kann zur dünnen Nadel werden wie bei der Kiefer, oder zum raffiniert schmetterlingsbunten Blütenblatt einer Orchidee. Am Anfang steht undifferenziertes, aber aufnahmewilliges, „eigenwesenarmes” Pflanzengewebe. Da prägt der Ätherleib als der „Plastiker” ein, was ihm der Typus übergibt!
Nun noch einmal zum Beispiel der Utricularia. Diese wächst in einem extrem stickstoffarmen Milieu, wie andere „fleischfressende” oder besser: tierverdauende Pflanzen auch: der Sonnentau etwa, das Fettkraut, die amerikanische Venusfliegenfalle, die Kannenpflanze Nepenthes und andere. Sie alle holen sich ihren Stickstoff aus Tierorganismen, mit Hilfe höchst pflanzen-untypischer und eher an Tierbildungen gemahnender magenartiger Hohlformen, gefüllt mit Verdauungsflüssigkeit, oder durch Bewegungsorgane von tierhafter Beweglichkeit (Venusfliegenfalle). Interessante Grenzverwischungen, die wiederum auf ein übergeordnetes, das betreffende Ökosystem [e] formendes Bildekräftesystem zu verweisen scheinen, das den Gewächsen pflanzen-untypische tierhafte Innenraumbildungen und Beweglichkeit aufprägt. In all diesen Fällen kann von „Zufällen” wahrhaft keine Rede sein, dazu sind die spezifischen Organbildungen zu komplex und bei allen artlichen Verschiedenheiten zu übereinstimmend „tierhaft”!
Aus einer isolierten Betrachtung eines Einzelfalles kann im Lebendigen keine Erkenntnis gewonnen werden. Es sind immer komplexe, ineinander verwobene Wechselwirkungen - kein Lebewesen ist eine in sich abgeschlossene fertige Einheit wie ein Mineral, ein Kristall, sondern immer auch Teilglied eines ihm übergeordneten, des „ökologischen Organismus”[e] seines Lebensraumes. Man sehe sich nur einmal den komplizierten und geradezu raffinierten Bestäubungsmechanismus unseres heimischen Wiesensalbeis an: er ist ohne die aktive Anwesenheit der Biene [f] weder verstehbar noch sinnvoll. Und er soll zufällig entstanden sein, um dann zufällig irgendwann von einer Biene entdeckt zu werden? Er wäre doch vorher wegen fehlender Bestäubung längst ausgestorben. Welch Zumutung an die Vernunft! Seine ganz anders aussehenden amerikanischen Verwandten, z.B. der Scharlachsalbei unserer öffentlichen Anlagen, haben langgestreckte rote Blütenröhren, an denen keine Biene landen kann, aber Kolibris im Flug ihre langen Schnäbel problemlos wie in ein Futteral zu versenken vermögen.
Der Ätherleib wäre also das eigentlich gestaltende Feld in den lebendigen Bildungen. Was ist demgegenüber der „Typus”?
Das ist eine andere Dimension. Rudolf Steiner bezeichnet damit das allen Einzelgestalten innewohnende geistig Wesenhafte, aus dem eben diese Einzelformen hervorgehen und dadurch auch von uns als verwandt und zusammengehörig erkannt werden: der Pflanzentypus in jeder einzelnen Pflanze. Aus ihm, dem Typus, sind alle Einzelformen ableitbar, gerade auch in ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge in der unendlichen Kette der Generationen, während derer sich der zugrunde liegende Typus wandelt, vervollkommnet - eben entwickelt. Wenn ich mir beispielsweise die Evolution der Wirbeltiere ansehe, dann habe ich es zunächst in den Fischen mit reinen Wasserbewohnern zu tun, aus denen dann über die Stufe der Amphibien hinaus in den Reptilien die ersten echten Landbewohner hervorgehen. Bei Letzteren kommt es zur Autonomie des Wasserhaushaltes, sie nehmen die benötigte Flüssigkeit nur noch aus der Nahrung auf. Die nächste Stufe ist dann diejenige der autonomen Körperwärme, die jetzt zur Unabhängigkeit von äußerer Sonnenbestrahlung führt und ebenfalls (indirekt) aus der Nahrung übernommen wird. Damit wird das Evolutionsplateau Säugetier (und Vogel) erreicht. All das bis dahin Geleistete ist nun wiederum die Voraussetzung und die Basis für eine weitere Stufe der Evolution: der Autonomie des Seelischen, des Bewusstseins - und das sind wir selber: im Menschen erwacht die Evolution - im reinen, von äußerer und leiblicher Beeinflussung unabhängigen Denken - zum Bewusstsein ihrer selbst! Natürlich nicht mit einem Schlag, sondern auch das auf dem Wege einer langen Entwicklung, die noch keineswegs beendet ist - es kann auch alles schief gehen! Der „Typus” der Wirbeltierevolution ist demnach der werdende Mensch, allerdings nur dann, wenn er die Autonomie des Bewusstseins auch wirklich zur Erlangung einer auf Erkenntnis beruhenden Freiheit benutzt. Dass es daneben noch ganz andere Evolutionslinien, also auch andere „Typen” gibt - man denke an die Insekten - steht auf einem anderen Blatt.
Wie hängen Typus und Artentstehung zusammen?
Der Typus ist Entwicklung, er gibt seine Impulse an den Ätherleib, denn der Ätherleib ist lebendig, verwandlungsfähig, beweglich. Der Ätherleib wiederum prägt und formt dann die physischen Organismen auf dem Wege über die Keimbahn in der Aufeinanderfolge der Generationen entsprechend den „Intentionen” dieses Typus - natürlich im Zusammenspiel mit den Bedingungen der Umwelt. Allerdings: die zunehmende Emanzipation des „Typus Mensch”, seine wachsende Autonomie von der Umwelt stellt auch, wie wir mehr und mehr lernen, ein zunehmendes Risiko dar.[g]
Interviewauszug mit Andreas Suchantke
aus »Info3« 3/2006; S.23ff
Unsere Anmerkungen
a] vgl. Mbl.5
b] Utricularia besitzt eine Kesselfalle, ein vielschichtig abgestimmtes Funktionssystem zum Fangen und Verdauen von Wassertierchen: hydrostatische Druckverhältnisse, sensible Tast-Härchen, Öffnungs- und Schliesseinrichtungen und nicht zuletzt biochemische Funktionen. Derlei ist nur als Ganzes lebensfähig; eine aufeinanderfolgende Entstehung durch zufällige Mutationen ist nicht nachvollziehbar, was wiedereinmal gegen das materialistisch darwinistische Dogma (vgl. Mbl-B.26) spricht.
c] Lichtstoffwechsel
d] vgl. BLECHSCHMIDT, E.: «Wie beginnt das menschliche Leben»
e] vgl. »TzN Feb.2006«: Anm.d
f] die als ein Riechfinger des Bienenwesens („Bien”) begreifbar ist, der über dessen Herzbereich (Bienenkönigin) gesteuert wird
g] wenn geisteswissenschaftlich vertiefte Naturerkenntnis nicht zur Demut führt, wie Rudolf Steiner zB. am 23.III.1910 in Wien ausführte - zum heutigen philosophisch-wissenschaftlichen Hochmut siehe Mbl-B.21
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn200603.htm