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Zitatensammlung
Teil 2
Zitat von Emil BOCK zur
ANTIKEN STÄDTEBILDUNG
1 Der stille Morgenröteglanz einer neuen Menschheitsepoche, der das Verbindende ist zwischen der Welt Homers und der Welt Davids, ist vor allem an die Gestalt geknüpft, in der wir uns für diese Zeit die menschlichen Ansiedlungen vorzustellen haben, in denen das geistig-kulturelle Leben gepflegt wurde und blühte. Die Epoche gewaltiger Architekturschöpfungen, wie sie tausend Jahre vorher Babylonien und Ägypten erlebt hatten, war lange schon zu Ende. In den Zeiten der Zikkurats, der babylonischen Turmbauten, und der ägyptischen Pyramiden hatte es Städte eigentlich nur im Sinne von Tempelbezirken gegeben. Ins Magisch-Gigantische hatten die ersten großen Vertreter des Machtimpulses auf den Thronen der Pharaonen und der babylonischen Könige die vorher schlichten Tempel ausgebaut. Zugleich oberste Priester und absolute Gebieter des Staates, betrachteten sie ihre immer prunkvoller und monumentaler werdenden Königspaläste als untrennbar zu den Tempeln hinzugehörig. Um den Tempel- und Palastbereich herum entstand dann ganz von selbst eine Stadt, weil zum Tempel eine Priesterschaft und zum Palast ein Hofstaat gehörte.
2 Mit dem Absinken der alten Größe Ägyptens und Babyloniens trat eine große Pause in der Architekturentwicklung und damit eine völlig neue Epoche des Städtewesens ein. Zu den Zentren des neuen kulturellen Lebens wurden architekturlose Gegenden, deren Geistesleben an äußerlich unscheinbaren, mehr in die Natur eingebetteten Stätten seine Quellen hatte. Palästina war, abgesehen von den phönizisch-philistäischen Küstenstrichen, ausgesprochenermaßen ein solches Land ohne Architektur, das dafür umso reicher war an Naturheiligtümern, an heiligen Bergen, Grotten und Hainen.
3 Was um das Jahr 1000 an neuen Städtebildungen in den Vordergrund trat, konnte sich auf keine Weise mit den magisch-aufgetürmten Götter- und Königsstädten der alten Reiche messen, was den äußeren Anblick und die räumliche Ausdehnung anbelangt. Dafür wob dort ein still-ausstrahlender, beseelender Hauch und Zauber, wie er ausgeht von den raunenden Wipfeln in heiligen Gärten. Das Herz der neuen Städte schlug da, wo es meist zugleich im äußeren und im inneren Sinn eine Quellstätte gab: an einer stillen Lehr- und Anbetungsstätte, die in einem Hain oder Park an einer Quelle lag. Die Griechenstädte an der kleinasiatischen Küste wie Ephesus und Milet, die den Hintergrund bildeten für das Schaffen des großen blinden Sängers Homer, müssen solche Siedlungen gewesen sein, die zwar durch den Hafen ihre Außenseite besaßen, deren Herz und Seele aber die in stille Haine eingebetteten Bezirke der Mysterien waren, die Tempel- und Lehrstätten, aus denen sich dann die Dichter- und Philosophenschulen entwickelt haben.
4 In ähnlicher Art ist auch vorzustellen, was im Gebiete des Israel-Volkes zur David-Zeit keimhaft an Städtebildungen entstand. Tauchte doch David, als er seine Residenz zunächst nach Hebron verlegte, in die Welt ein, in der die Erinnerung an die Erzväterzeit die Atmosphäre bestimmte. Die Nähe des Haines Mamre muß für Hebron zur Königszeit ebenso wesentlich gewesen sein wie zur Zeit Abrahams. Und als David in Jerusalem auf dem heilig-stillen Zionsberge seine Burg erbaute, war erst recht das Raunen heiliger Urvergangenheit um ihn her. Sowohl in die Gesänge Homers wie in die Psalmen Davids rauscht etwas von der Musik hinein, die in den Wipfeln heiliger Haine erklingt.
5 Eine neue Epoche der Städtegründungen, in die dann wieder ein starker architektonischer Impuls mit hineinspielte, trat in Griechenland erst ein, als auf das homerische Zeitalter einige Jahrhunderte später das des Perikles folgte. Damals trat in prachtvoller Kunstentfaltung auf architektonischem, bildhauerischem und dramatischem Gebiet in den Vordergrund der Kultur, was an den stillen verborgenen Stätten gereift war. Um die strahlenden Tempel der Akropolis entstand die Musenstadt Athen, und auch die anderen Städte erhielten ein ähnliches Antlitz. Der entsprechende Übergang erfolgte in Israel bereits gleich im Anschluß an die Davidzeit, als unter Salomo die Stadt Jerusalem ein völlig neues, nun auch durch größere architektonische Werke bestimmtes Gepräge erhielt. Entspricht das davidische Zeitalter dem gleichzeitigen homerischen, so ist das salomonische eine vorauseilende Entsprechung zur perikleischen Epoche Griechenlands. So schnell wurde die weltgeschichtliche Gunst des Augenblickes, die im Jahre 1000 der israelitischen Entwicklung zu Hilfe kam, kulturell fruchtbar.
aus «Könige und Propheten»; S.23ff
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit002580023.htm