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Neudenken:
Bildekräftewandel
1 [...] Es sind also die gleichen Bildekräfte,[a] welche am Beginn des Lebenslaufs zunächst ganz der Funktion dienen, die leibliche Organisation des Menschen weisheitsvoll aufzubauen, und von denen sich dann im Laufe der Entwicklung des Kindes ein Teil aus dieser leiblichen Aufbautätigkeit mehr und mehr emanzipiert, um nun allmählich die Funktion zu übernehmen, der Bewußtseinstätigkeit, dem Denken, dem immer stärker sich ausbildenden geistg-seelischen Leben des sich entwickelnden Menschen als Basis zu dienen¹: „Diese im Bildekräfteleib wirksamen Kräfte betätigen sich im Beginne des menschlichen Erdenlebens - am deutlichsten während der Embryonalzeit - als Gestaltungs- und Wachstumskräfte. Im Verlaufe des Erdenlebens emanzipiert sich ein Teil dieser Kräfte von der Betätigung in Gestaltung und Wachstum und wird Denkkräfte, eben jene Kräfte, die für das gewöhnliche Bewußtsein die schattenhafte Gedankenwelt hervorbringen.” Dieser Funktionswechsel, daß Gestaltungs-und Wachstumskräfte im Verlaufe der Entwicklung als Denkkräfte verwendet werden, läßt uns erst das Wesen der Ganzheit und das Gesetz der Korrelation in dieser verstehen.
2 Dabei ist immer zu beachten, daß es sich beim Wirkensbereich der Bildekräfte nicht um die physikalisch-chemischen Prozesse handelt, die im Anorganischen auftreten, sondern jene im lebenden Organismus auftretenden, differenzierten, gestaltenden Bildekräfte-Wirkungen, die in den vorigen Kapiteln an Hand vieler Forschungsergebnisse im Bereich der Organismen aufgezeigt wurden. Diese Bildekräfte sind es, welche die Formgestaltung [b], das Wachstum, die innere Dynamik und Rhythmik der vitalen Prozesse von Pflanze, Tier und Mensch impulsieren, steuern, in Gang halten. Während sie aber bei der Pflanze vollständig der lebendigen Dynamik des vitalen Prozesses der Ganzheit hingegeben sind,[c] wird beim Menschen ein Teil dieser Kräfte dem vitalen Prozeß entzogen und im Laufe der kindlichen Entwicklung mehr und mehr als Basis der sich immer stärker entfaltenden höheren Funktionen, des Ich-Bewußtseins, des Denkens und Sprechens, der Fülle geistig-seelischer Funktionen verwendet.
3 Es ist somit eines der wesentlichsten Beispiele der konsequenten Realisierung der Goetheschen Metamorphosenlehre [d], wenn wir nun entdecken, daß durch solchen Funktionswechsel im Bildekräfteleib des höheren Organismus auch eine reale Beziehung und Wechselwirkung zwischen den geistig-seelischen Prozessen, der vitalen Dynamik und den Ordnungsprozessen im Stofflichen [b] besteht, und daß eben der Vermittler zwischen diesen beiden Äußerungen und Aktivitäten der Ganzheit in der Bildekräfteorganisation der höheren Lebewesen gegeben ist. Geistige Betätigung, Lebensprozeß und Formgestaltung sind dadurch in ihrer Dynamik und Rhythmik, in ihrer Organisation und ihrem Aufeinanderabgestimmtsein in der Ganzheit durch die Vermittlung der Bildekräfte auf das intensivste miteinander verwoben. Damit ist also keineswegs eine materialistische, einseitige Abhängigkeit des Geistigen vom Stofflichen,[e] sondern im Gegenteil die Möglichkeit der dominierenden Gestaltungskraft des Geistigen bis ins Stoffliche hinein gegeben. Nach dem Gesetz der Korrelation in der Ganzheit wird nun auch die Tatsache verständlich, daß im lebenden Organismus Kräfte, welche für Bewußtseinsakte, für geistig-seelische Prozesse verwendet werden, eben damit den stofflichen Funktionen entzogen sind. Es erklärt sich hieraus, warum die Bereicherung des Menschen in seinem Bewußtseinsleben auch dadurch erkauft ist, daß er weniger Kräfte als das Tier für die Ausgestaltung mancher leiblichen Organisationsglieder zur Verfügung stellt, während sie beim Tier noch der Gliedmassentätigkeit und der Ausübung der leiblichen Funktionen ganz hingegeben sind. Hierfür hat H. Poppelbaum² grundlegende Gesichtspunkte und ein umfangreiches Anschauungsmaterial gegeben. Der Mensch ist am Anfang seiner Entwicklung, im Embryonalzustand und der frühen Kindheit, gegenüber dem Tier ein in der leiblichen Entwicklung zurückgebliebenes, nicht ein stärker entwickeltes Wesen, dafür behält der Mensch in seiner weiteren Entwicklung aber auch Kräfte für Bewußtseins- und geistige Prozesse frei, die dem einseitiger ins Leibliche hinein sich entfaltenden Tier nicht gegeben sind. Auf solche Unterscheidungen hat in neuester Zeit Portmann³ an Hand zahlreicher Entwicklungstatsachen hingewiesen.

¹ R. Steiner und I. Wegman, „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst”, 1925.
² H. Poppelbaum, „Tierwesenskunde”, 1937; „Mensch und Tier”. 6. Aufl., 1956.
³ A. Portmann, „Die Biologie und das neue Menschenbild”, 1942; „Biologische Fragmente zu einer Lehre vom Menschen”,1944.
Guenther Wachsmuth
aus «Erde und Mensch»; S.354f
Unsere Anmerkungen
a] vgl. Mbl-B.18
b] vgl. «E+E»: Anm.220
c] vgl. »TzN Mär.2006«
d] vgl. E.Marti zum Gestaltwandel
e] wie sie zB. die beschränkten Neurowissenschaften immer noch voraussetzen
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn202405.htm