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Neudenken:
Begleitung Verstorbener
1 Was in diesen Tagen unmittelbar nach dem Tod innerlich durch uns an Erinnerungen [...] für den Verstorbenen bereitet wird, das findet dieser vor, wenn er aus seinem Lebenstableau [a] erwacht ist. Das gilt auch für das, was während der Bestattungs- und Kremationsfeier [b] gesprochen wird. [...] Aber auch der Verstorbene selbst ist unterdessen nicht untätig gewesen. Er hat seine Innenwelt im Lebenstableau zur Außenwelt werden sehen, er hat sich damit identifiziert, und er fängt jetzt an zu erfahren, wie seine eigene Welt nicht länger zwischen ihm und der geistigen Welt steht. Er fängt an [...] ein „Doppelleben” zu führen: ein Leben in sich selbst, als Individualität,[c] und ein Leben in der für ihn zur Außenwelt gewordenen Gesamtheit seines hinter ihm liegenden Lebens.
S.149
2a Es ist in diesem Zusammenhang gut sich klarzumachen, daß ein geistiges Wesen (auch in dieser Hinsicht gehören die Verstorbenen zu ihnen) für uns ganz verschiedene Gestalten annehmen kann. Die Gestalt, in der sie erscheinen, hängt ganz von unserer inneren subjektiven Verfassung ab, von der Art, wie wir zu denken und zu fühlen gewohnt sind. Ein Verstorbener kann uns in der Gestalt eines noch lebenden Menschen erscheinen, aber auch in der anderer Verstorbener. Er kleidet sich gleichsam in unsere Vorstellungen und Erwartungen. Nicht das, was [das Bild] de[s] Verstorbene[n] dann zu sein vorgibt, nicht die Person, mit der wir es zu tun [zu] haben [wähnen], ist dabei ausschlaggebend, sondern die Art, wie diese (vergleichsweise gesprochen) handelt, bzw. das, was von ihr ausgeht. Daher kann auf diesem Gebiet nur unser eigenes Wahrheits- und Wahrhaftigkeitsgefühl als Richtschnur dienen. Es verhält sich also genau umgekehrt zu dem, was uns gewisse Medien und ähnliches vorgaukeln möchten. Wer da meint, auf diesem Terrain eine spirituelle Autorität gefunden zu haben, sitzt [meistens] in der Falle seiner eigenen Vorstellungen und Erwartungen.
[...]
2b Im vollkommenen Gegensatz zu einer solch neugierigen, von egoistischen Motiven getragenen Weise, sich dem Verstorbenen zu nähern, steht all dasjenige, was die Lebenden den Verstorbenen durch Meditation [d] und Gebet [e] innerlich darreichen. So kann eine Brücke zwischen Lebenden und Toten geschlagen werden, die für die letzteren eine echte Hilfe in der Phase darstellt, in der sie alles, was mit der körperlichen Seite des Daseins zusammenhängt, einer Metamorphose unterziehen müssen.[f]
2c Es ist sicherlich berechtigt, bei der Frage nach der Intention von Meditation und Gebet kurz zu verweilen, auch und gerade da, wo sie sich an die Verstorbenen wenden.[g] Eine häufige Untugend ist es ganz zweifellos, sich dabei zu sehr für sich selbst zu interessieren. [...] Die zu starke Beschäftigung mit sich selbst, mit dem eigenen Wohl und Wehe - die, wie soeben ausgeführt, sogar dazu führen kann, daß Verstorbene „vor den eigenen Karren gespannt werden”[h] - ist der Meditation und dem Gebet schädlich. Wer sich Verstorbenen nähern oder ihnen helfen will, der muß von sich selbst absehen, [...]
S.151ff
Arie Boogert
aus «Wir und unsere Toten»
Unsere Anmerkungen
a] vgl. R.Steiner zum Erinnerungstableau
b] vgl. »TzN Nov.2010«
c] die sich zur Entelechie entfaltet (vgl. Mbl.8)
d] siehe Mbl-B.33
e] vgl. »TzN Feb.2011«
f] Dies führt dazu, dass jenen Hauptwörter (Substantiva, also starre Begriffe) zunehmend unverständlich werden, Zeitwörter (Verba, also Bewegungsbegriffe) jedoch deutlich bleiben.
g] vgl. »TzN Nov.2019«
h] im Extremfall etwa bei sogenannten „Märtyrern” oder „Opfern”
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn202311.htm