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Zitatensammlung
Teil 2
Zitat von Thomas HARDTMUTH zur
HEMMUNG (INHIBITION)
1 Sinnes- und Bewegungsorgane unterliegen der peripheren und zentralen Hemmung - ebenfalls ein wichtiger Begriff bei Scheurle; er sieht es als Folge eines ausschließlich mechanistischen Denkens, welches zur »Phänomenologie der Negation« keinen Zugang findet. Das Unterlassen-Können, das Nicht-Ausführen einer Handlung ist nicht ein passives »Nichts«, kein bloßer mechanischer Ruhezustand, sondern ein aktiver Vorgang, eine späte, evolutive Errungenschaft. Anschaulich wird dies am Frontalhirn erklärt, dem eigentlich menschlichsten Gehirnteil. Dieser besteht hauptsächlich aus hemmenden Neuronen, die ein biologisch determiniertes Instinkt- und Triebverhalten aktiv hemmen und damit menschliche Kultur erst ermöglichen. (Es ist ein Spezifikum der menschlichen Ontogenese, dass eine ganze Reihe angeborener Reflexe wie Greif-, Klammer- und Gehreflex erst abgebaut und dann durch eigenes Üben neu aufgebaut werden). Hemmung (Inhibition) ist auch die Eintrittspforte zur Selbsterfahrung des Geistes und zu seiner Freiheit; erst durch die Fähigkeit des Innehaltens und Neinsagens gewinnt der Mensch den Raum des bewussten Seins, indem er tierhafte Reiz-Reaktions-Mechanismen unterbindet und den daraus entstehenden Leerraum als Freiraum der eigenen Gestaltungs- und Bewusstseinsleistungen nützt. Aufhören, Unterlassen, Schweigen, Verzichten sind essenzielle kulturelle Lernschritte.
2 Physiologisch bedeutet periphere Hemmung, dass die Zellen der Leistungsorgane durch eine Polarisation in einer Art gespannten Ruhe gehalten werden, bevor sie durch eine gehirnvermittelte Umweltresonanz geweckt und damit enthemmt in ihre umweltbezogene Eigendynamik freigesetzt werden. Der Autor spricht hier in Analogie zu vielen autonom ablaufenden Lebensprozessen wie Herzschlag und Atmung von der Teilautonomie des senso-motorischen Systems, weil bei genauer phänomenologischer Beobachtung die Gliedmaßen nicht mechanisch gesteuert, sondern sensibel und intelligent entsprechend ihrem Zusammenspiel mit der Umwelt als geistig organische Einheit agieren.
in »die Drei« 4/2014; S.104
(aus der Rezension von
SCHEURLE, HANS-JÜRGEN: «Das Gehirn ist nicht einsam - Resonanzen zwischen Gehirn, Leib und Umwelt»;
Verlag W.Kohlhammer; Stuttgart 2013)
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit660020006.htm