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Zitatensammlung
Teil 1
Zitate von Rudolf STEINER zu
NASIRÄAT und ESSENAT
1 Es gab im Judentum immer das, was man bezeichnete als Nasireat oder Nasiräertum. Dieses bestand darin, daß einzelne Menschen - auch schon vor der Entstehung der Therapeuten- und Essäersekten - auf sich ganz bestimmte Methoden der Seelen- und Körperentwickelung anwandten. Namentlich wandten die Nasiräer [נזירים] eine Methode an, die in einer gewissen Diät bestand und die auch heute noch in gewisser Weise nützlich ist, wenn der Mensch in seiner Seelenentwickelung rascher vorschreiten will, als es sonst möglich ist. Besonders enthielten sie sich vollständig der Fleischkost und des Weingenusses. Damit verschafften sie sich die Möglichkeit einer gewissen Erleichterung, weil in der Tat die Fleischkost den geistig strebenden Menschen in der Entwickelung aufzuhalten vermag. [...]
Es bestand also dieses Nasiräertum. Unter einer viel strengeren Gestalt der Vorschriften aber setzten es die Essäer [ἐσσαίοι] fort; sie nahmen noch ganz andere Dinge dazu. Alles, was ich Ihnen gestern und vorgestern erzählt habe, nahmen sie hinzu. Besonders aber pflegten sie strengste Enthaltung von der Fleischkost. Dadurch wurde verhältnismäßig rasch erreicht, daß solche Menschen lernten, ihre Erinnerung zu erweitern und hinaufzusehen über zweiundvierzig Generationen hinauf, daß sie lernten hineinschauen in die Geheimnisse der Akasha-Chronik. Sie wurden das, was man nennen kann eine Stammknospe an einem Zweig, eine Knospe an einem Baum, an einer Pflanze, die sich durch viele Generationen hindurchschlingt. Sie waren nicht bloß etwas Losgelöstes vom Baum der Menschheit; sie fühlten die Fäden, die sie banden an den Baum der übrigen Menschheit. Sie waren etwas anderes als die, welche sich vom Stamme loslösten und deren Gedächtnis sich einschränkte auf die einzelne Persönlichkeit. Solche Menschen benannte man nun auch innerhalb der Essäergemeinden mit einem Wort, das ausdrücken sollte «ein lebendiger Zweig», nicht ein abgeschnittener Zweig. Das waren solche Menschen, die sich darinnen fühlten in der Generationenfolge, sich nicht abgeschnitten fühlten vom Baum der Menschheit. Die Schüler, die im Essäertum namentlich diese Richtung pflegten, die die zweiundvierzig Stufen durchgemacht hatten, bezeichnete man als Nezer [נצר].
Bern, 6.Sep.1910 ♂ (aus «GA 123»; S.117f)
2 Wenn wir jetzt die Essäereinweihung von diesem Gesichtspunkte aus charakterisieren wollen, so können wir sagen: Wenn ein Essäer die charakterisierten zweiundvierzig Stufen durchmachte und dadurch zu einer genaueren Kenntnis seines wahren Inneren kam, seiner wahren Ich-Natur und alles dessen, was den Menschen befähigt, durch die äußeren durch die Vererbung dazu bestimmten Organe zu sehen, so wurde ein solcher Essäer über die zweiundvierzig Stufen hinausgeführt bis zu derjenigen geistig-göttlichen Wesenheit, welche als Jahve oder Jehova jenes Organ bewirkte, das ich Ihnen bei Abraham charakterisiert habe; das sah er dann im Geiste als dieses Organ, das wesentlich war für die damalige Zeit. Der Essäer sah also zurück auf das innere wesenhafte Gefüge der menschlichen Innenwesenheit, die ja ein Ergebnis war dieser göttlich-geistigen Wesenheit. Auf die Erkenntnis des menschlichen Inneren war es also bei einer solchen Einweihung abgesehen.
Bern, 8.Dez.1910 ♃ (aus «GA 123»; S.143f)
3a So war Jesus von Nazareth nicht nur ausgestattet mit dem Blick, mit dem Wissen des Weisen, sondern in gewisser Weise auch durch das Leben ein Eingeweihter geworden. Das lernten kennen Leute, die in jener Zeit zusammengetreten waren in einem gewissen Orden, der ja der Welt bekannt ist als der Essäerorden. Essäer waren Leute, welche eine Art Geheimdienst [-ritual] und Geheimlehre pflegten an bestimmten Orten Palästinas [zB. Engedi und Nazareth]. Es war ein strenger Orden. Derjenige, der dem Orden beitreten wollte, mußte mindestens ein Jahr, zumeist aber mehrere Jahre strenge Probe durchmachen. Er mußte zeigen durch seine Aufführung, durch seine Gesittung, durch seinen Dienst gegenüber den höchsten geistigen Mächten, durch seinen Sinn für Gerechtigkeit, Menschengleichheit, durch seinen Sinn des Nichtachtens äußerer menschlicher Güter und dergleichen, daß er würdig war, eingeweiht zu werden. Wenn er dann aufgenommen wurde in den Orden, dann gab es verschiedene Grade, durch die man aufstieg zu jenem Essäerleben, das bestimmt war, mit einer gewissen Aus- und Absonderung von der übrigen Menschheit, in einer strengen klösterlichen Zucht und durch gewisse Reinheitsbestrebungen, durch die man alles Unwürdige körperlicher und seelischer Art beseitigen wollte, sich der geistigen Welt zu nähern. Das drückt sich schon in mancherlei symbolischen Gesetzen des Essäerordens aus. Die Entzifferung der Akasha-Chronik hat gezeigt, daß der Name Essäer kommt von oder jedenfalls zusammenhängt mit dem jüdischen Wort «Essin» oder «Assin» [? עשין]. Und das bedeutet so etwas wie Schaufel, Schäufelchen, weil die Essäer als einziges symbolisches Zeichen stets eine kleine Schaufel als Abzeichen trugen, was sich in manchen Ordensgemeinschaften bis heute erhalten hat. In gewissen symbolischen Gepflogenheiten drückte sich auch das aus, was die Essäer wollten: daß sie keine Münzen bei sich tragen durften, daß sie nicht durch ein Tor gehen durften, das bemalt war oder in dessen Nähe Bilder waren. Und weil der Essäerorden in der damaligen Zeit in einer gewissen Weise auch äußerlich anerkannt war, hatte man in Jerusalem besondere Tore, unbemalte Tore gemacht, so daß auch sie in die Stadt gehen konnten. Denn wenn der Essäer an ein bemaltes Tor kam, mußte er immer wieder umkehren. Im Orden selbst gab es alte Urkunden und Traditionen, über deren Inhalt die Mitglieder des Ordens streng schwiegen. Sie durften lehren, aber nur, was sie innerhalb des Ordens gelernt hatten. Jeder, der in den Orden eintrat, mußte sein Vermögen dem Orden abgeben. Die Zahl der Essäer war damals zur Zeit des Jesus von Nazareth eine sehr große, etwa vier- bis fünftausend. Es waren von allen Orten der damaligen Welt Leute zusammengekommen, die sich den strengen Regeln widmeten. Sie schenkten jedesmal, wenn sie irgendwo weit weg, in Kleinasien oder noch weiter, ein Haus hatten, dasselbe dem Essäerorden, und der Orden bekam überall kleine Besitzungen, Häuser, Gärten, ja weite Äcker. Keiner wurde aufgenommen, der nicht alles schenkte, was den Essäern Gemeingut wurde. Alles gehörte allen, kein einzelner hatte Besitz. Ein für unserer heutigen Verhältnisse außerordentlich strenges Gesetz, das aber begreiflich ist, war dieses, daß ein Essäer unterstützen durfte mit dem Gute des Ordens alle bedürftigen und belasteten Leute, nur diejenigen nicht, die seiner eigenen Familie angehörten.
S.66f
3b Da gab es aber noch andere Erlebnisse. Schon seit längerer Zeit hatte Jesus von Nazareth etwas Besonderes beobachten können: Wenn er an Orte kam, wo Essäertore waren, wo bildlose Tore waren, da konnte Jesus von Nazareth durch solche Tore nicht schreiten, ohne wiederum eine bittere Erfahrung zu machen. Er sah diese bildlosen Tore, aber für ihn waren geistige Bilder an diesen Toren; für ihn erschienen an beiden Seiten eines solchen Tores immer dasjenige, was wir jetzt kennengelernt haben in den verschiedenen geisteswissenschaftlichen Auseinandersetzungen unter dem Namen Ahriman und Luzifer. Und allmählich hatte sich ihm das Gefühl, der Eindruck in der Seele gefestigt, daß die Abneigung der Essäer gegen die Torbilder etwas zu tun haben müsse mit dem Herbeizaubern solcher geistiger Wesenheiten, wie er sie an den Toren erschaute, daß Bilder an den Toren Abbilder von Luzifer und Ahriman seien. Und öfter hatte Jesus von Nazareth dieses bemerkt, öfter waren solche Gefühle in seiner Seele aufgestiegen.
[...] [...]
Eines Tages, als nach einer besonders wichtigen, bedeutsamen Unterredung, in der vieles Höchste, Geistige zur Sprache gekommen war, Jesus von Nazareth das Tor des Hauptgebäudes der Essäer verließ, da traf er, indem er durch das Tor ging, auf die Gestalten, von denen er wußte, daß sie Luzifer und Ahriman waren. Und er sah fliehen Luzifer und Ahriman von dem Tore des Essäerklosters. Und es senkte sich in seine Seele eine Frage. Aber nicht als ob er selber, nicht als ob er durch den Verstand früge, sondern mit tiefer elementarer Gewalt drängte sich herauf in seine Seele die Frage: Wohin fliehen diese, wohin fliehen Luzifer und Ahriman? - Denn er wußte, die Heiligkeit des Klosters der Essäer hatte sie zum Fliehen gebracht. Aber die Frage lebte sich in seine Seele ein: Wohin fliehen diese? - Und diese Frage brachte er nicht mehr los aus seiner Seele, diese Frage brannte wie Feuer in seiner Seele; mit dieser Frage ging er stündlich, ja minütlich sie erlebend in den nächsten Wochen umher. [...]
S.70f
Kristiania, 5.Okt.1913 ☉ (aus «GA 148»)
4 Und dann führte er dies Gespräch mit der Mutter weiter und sprach von dem, was er im Kreise der Essäer in sich aufgenommen hatte. Er sprach von der Schönheit, Größe und Glorie der Essäerlehre, gedachte der großen Milde und des Sanftmutes der Essäer. Dann sagte er das dritte bedeutsame Wort, das ihm aufgegangen war in seinem visionären Gespräch mit dem Buddha: Es können doch nicht alle Menschen Essäer werden! Wie recht hatte doch Hillel, als er die Worte sprach: Sondere dich nicht von der Gesamtheit ab, sondern schaffe und wirke in der Gesamtheit, trage deine Liebe hin zu deinen Nebenmenschen, denn wenn du allein bist, was bist du dann? So machen es aber die Essäer; sie sondern sich ab, sie ziehen sich mit ihrem heiligen Lebenswandel zurück und bringen dadurch Unglück über die anderen Menschen. Denn die Menschen müssen dadurch unglücklich sein, daß sie sich von ihnen absondern. - Und dann sagte er zu der Mutter das bedeutsame Wort, indem er ihr das Erlebnis erzählte, das ich gestern besprochen habe: Als ich einstmals nach einem intimen, wichtigsten Gespräch mit den Essäern wegging, da sah ich am Haupttore, wie Luzifer und Ahriman davonliefen. Seit jener Zeit, liebe Mutter, weiß ich, daß die Essäer durch ihre Lebensweise, durch ihre Geheimlehre sich selber vor ihnen schützen, so daß Luzifer und Ahriman vor ihren Toren fliehen müssen. Aber sie schicken dadurch Luzifer und Ahriman weg von sich zu den anderen Menschen hin. Die Essäer werden glücklich in ihren Seelen auf Kosten der anderen Menschen; sie werden glücklich, weil sie sich selber vor Luzifer und Ahriman retten! - Er wußte jetzt durch das Leben bei den Essäern: Ja, eine Möglichkeit gibt es noch, hinaufzusteigen dahin, wo man sich vereint mit dem Göttlich-Geistigen, aber nur Einzelne können es auf Kosten der großen Menge erreichen. Er wußte jetzt: Weder auf Juden- noch auf Heidenweise noch auf Essäerweise war der allgemeinen Menschheit der Zusammenhang mit der göttlich-geistigen Welt zu bringen.
Kristiania, 6.Okt.1913 ☽ (aus «GA 148»; S.82f)
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit112300117.htm