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Zitatensammlung
Teil 2
Zitate von Günter RÖSCHERT zu
THEODIZEE und VERANTWORTUNG
1 [...] Die göttliche Einwilligung in den Einfluss widerstrebender, sich empörender Mächte³ in das Leben des noch unmündigen Vormenschen ist Angelegenheit der Theodizee (Gottesrechtfertigung [nach G.L.Leibniz]), nur sekundär eine solche menschlicher Verantwortung. Verantwortung ist dem Menschen allerdings auferlegt für nach dem Erwachen des Ich vollbrachte Untaten. Deren Ausgleich obliegt dem Karma, und zu dessen Bewältigung ist ebenfalls ein geistiger, objektiver Impuls erforderlich, denn auch am Karma kann menschliche Ohnmacht erlebt werden.
S.84
3 Rudolf Steiner: Die Geheimwissenschaft im Umriss, GA 13 (1962), S. 192, 248.
S.91
2 Gibt es eine anthroposophische Perspektive auf die Frage nach der Verantwortlichkeit Gottes für die Übel in der Welt? Des biblischen Hiob Frage aus dem Abgrund seines Unglücks: Warum nun dieses? hallt in vielerlei Formulierungen auch in unserer Zeit wider. Vernichtende Krankheit, Kriege und Kriegsverbrechen, gewaltige Naturkatastrophen werden zur Ursache, dass aus den Tiefen der Menschenseele die ohnmächtige Klage emporstößt: „Wie kann Gott - wenn es ihn gibt - solches zulassen?” Es ist die Frage nach der Möglichkeit einer Theodizee, nach der Rechtfertigung Gottes für die Übel in der Welt.
S.94
3 [...] Und doch: Wodurch sind die gegenwärtigen Leiden zu rechtfertigen, mögen sie einstens auch bedeutungslos erscheinen? Es liegt hier eine beachtliche Klippe der Argumentation, die schon Hiobs ratgebende Freunde straucheln ließ mit dem Versuch, irgendeine Untat Hiobs ausfindig zu machen, welche Gott durch die Zerstörung von Hiobs Existenz räche. Mit der Schuldvermutung zulasten des leidenden Menschen befindet man sich am Rande des Zynismus, dem auch derjenige verfällt, der das Karma bedenkenlos als alleinigen Erklärungsgrund für menschliches Leid und menschlichen Schmerz missbrauchen wollte. Die Hölle der Vernichtungslager des 20. Jahrhunderts machten die Frage nach Gott geradezu unausweichlich, ebenso die Völkermorde der Geschichte. Warum hat Gott nicht eingegriffen, hat ihn der Verzweiflungsschrei der Gefolterten und Ermordeten nicht erreicht oder wollte er ihn gar nicht hören? Zu den metaphysischen Übeln gehören insbesondere die vernichtenden Naturkatastrophen,⁷ die abgründigen Qualen im niederen Tierreich⁸ und - schreckensvoll - die dort gestaltlich bemerkbaren „Vorzeichen des Bösen”, welches sich dann allerdings erst im Reiche des Menschen voll manifestieren kann.⁹
Wer sich mit diesen Fragen beschäftigt, gerät unausweichlich in das Innere des Trigons:
Gottes Liebe und Güte
Gottes Allmacht Die Übel der Welt
Diesen trigonalen, durch Widersprüche gebildeten Kerker hat schon Epikur im zweiten vorchristlichen Jahrhundert geschildert: Jeweils zwei Setzungen widersprechen der dritten.¹°
Die theologische Arbeit am Theodizeerätsel ist im Ergebnis unbefriedigend geblieben: Das fatale Widerspruchsgebilde konnte nicht wirklich überwunden werden.
Immerhin ist Gott von vielen Autoren als Leidender erkannt,¹¹ und zwar in seiner trinitarischen Wesenhaftigkeit. Er leidet nicht nur an den bösen Neigungen und den Untaten der Menschen: Gott leidet an seiner Schöpfung; aus dieser tauchen wie Brandungswellen die metaphysischen Übel auf, als unvermeidbare, dem Leben anhaftende (inhärente) Schöpfungsattribute.
[...]
[...] Jonas sagte im Verlauf seines Vortrags¹²:
„Im Anfang, aus unerkennbarer Wahl, entschied der göttliche Grund des Seins, sich dem Zufall, dem Wagnis und der endlosen Mannigfaltigkeit des Werdens anheimzugeben. Und zwar gänzlich: Da sie einging in das Abenteuer von Raum und Zeit, hielt die Gottheit nichts von sich zurück ... (Damit) die Welt sei, und für sich selbst sei, entsagte Gott seinem eigenen Sein ...”
Vom Augenblick der Schöpfung an leide Gott.[a] Er sei ein werdender Gott, der fortschreitend anders werde in der Verwirklichung des Weltprozesses.¹³ Er sei ein sich sorgender Gott mit hohem eigenen Risiko, schließlich sei er kein allmächtiger Gott. In Auschwitz und anderswo habe Gott nicht eingegriffen, nicht weil er nicht wollte, sondern weil er nicht konnte oder nicht durfte. Im bloßen Zulassen menschlicher Freiheit liege der Machtverzicht Gottes.
S.96ff
7 Das Erdbeben von Lissabon 1755 wirkte besonders verstörend im Hinblick darauf, dass viele Gläubige von den Trümmern der Kirchen erschlagen wurden, in welche sie sich zur Allerheiligen-Andacht begeben hatten.
8 Das Leid der Tiere ist theologisch und philosophisch nur schwer oder gar nicht zu deuten, es ist - nach einem Ausdruck von Armin Kreiner (Gott im Leid, Freiburg i. Br. 2005, S. 380 ff.) - „schlechthin dysfunktional”. Reinhold Schneider, der für das Problem der Theodizee besonders sensible Autor, hat in seinem Buch Winter in Wien auf das unsägliche Fressen und Gefressenwerden in den Tiefen des Meeres und auf das Dasein parasitärer Lebensformen hingewiesen. Der Darwinismus hat diese Situation mit Hilfe der Selektionstheorie in den Rang eines Naturgesetzes erhoben. Anders sah es schon der Prophet Jesaja (11,6-9), der die Leiden der Tiere im kommenden messianischen Reich beendet sehen konnte.
9 Einen wissenssoziologisch erweiterten Theodizeebegriff bietet Peter L. Berger: Zur Dialektik von Religion und Gesellschaft. Elemente einer soziologischen Theorie, Frankfurt a.M. 1973, Kap. 3.
10 überliefert von Lactanz, De ira Die, 13,9.
11 Die Leidensfähigkeit Gottes ist besonders von Jürgen Moltmann beschrieben worden, in: Der gekreuzigte Gott, München 1972, ders.: Trinität und Reich Gottes, München 1980.
12 Hans Jonas: Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme, Frankfurt a.M. 1987.
13 Siehe dazu auch den Aufsatz von Jörg Ewertowski: Die Gottesentwicklung. Von der Beziehung zwischen dem Entwicklungs- und dem Gottesgedanken in Theologie, Philosophie und Anthroposophie, in: DIE DREI 2/2008.
S.112
aus «Wahrer Gott und wahrer Mensch»
a] siehe auch das Schlusskapitel des Romans "The Man Who Was Thursday"
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit027790084.htm