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Zitatensammlung
Teil 2
Zitat von Emil BOCK zum
KREUZ zwischen MIKRO- und MAKROKOSMOS
1a Bauen wir die Stufen-Bilder als zu meditierende Imaginationen vor uns auf, so gruppieren sich die ersten drei und dann wieder die letzten drei zu zwei symmetrischen Teildramen, die wie zwei gleiche Bögen einer Spirale übereinanderliegen. Beide Male findet ein Emporsteigen von unten nach oben statt. Das erste Mal steigen die Bilder an der mikrokosmischen Menschengestalt empor, von den Füßen (Fußwaschung) zur Brust (Geißelung) und zum Haupte (Dornenkrönung). Das zweite Mal wird ein ähnlicher Gang vollzogen, jetzt aber an der Gestalt des Weltalls empor, das man als die makrokosmische Menschengestalt bezeichnen kann, gemäß dem alten Weisheitsspruch, daß der Mensch die kleine Welt und das Weltall der große Mensch ist: Das Grab stellt die Füße der Welt dar (Grablegung); der ätherische Umkreis der Atmosphäre, der Ort der Auferstehung, ist die Brust der Welt (Auferstehung); die Himmelssphären, der Form des menschlichen Hauptes gleichgestaltet, sind das Haupt der Welt (Himmelfahrt).
1b In der Mitte zwischen den beiden Dreiheiten steht das Kreuz. In ihm wird das Schicksalsgeheimnis der physischen Menschengestalt offenbar. Nicht umsonst nennt der Mensch sein Rückgrat volkstümlich sein »Kreuz«. Daraus, daß er einen physischen Leib hat, erwächst dem Menschen all sein irdisches Schicksal. Er ist das Kreuz, das der Mensch lernen muß auf sich zu nehmen. Das Kreuz ist aber zugleich Durchgangspunkt und Türe zum Geistigen hin. Zuerst muß der Mensch, der aus dem Makrokosmos kommt, sich inkarnieren, sich immer tiefer hineinbegeben in die enge mikrokosmische Welt seines physischen Leibes. Hier entwickelt er durch alle Einsamkeitsprüfungen hindurch sein persönliches Wesen. Erst wenn er bis auf den Grund Besitz ergriffen hat von seiner physischen Leiblichkeit, kann er sich aus der Leibgebundenheit wieder lösen und, sei es durch die innere Arbeit an sich selbst, sei es durch den Tod, in die überpersönlichen Sphären des Makrokosmos und des Geistes wieder emporwachsen.
1c Das Evangelium rahmt das Kreuz als die Mitte zwischen den drei mikrokosmischen und den drei makrokosmischen Stufen durch die beiden Gestalten Simon von Kyrene und Joseph von Arimathia ein. Von den ersten drei Stufen zum Kreuze hin führt der Weg der Kreuztragung. Simon von Kyrene, der Kreuzträger, erscheint als das Bild des Menschen, der sein Kreuz auf sich nimmt. Vom Kreuz zu den drei makrokosmischen Stufen hin führt der Weg der Kreuzlösung. Joseph von Arimathia, der den Leib des Christus vom Kreuze löst, erscheint als das Bild des Menschen, der die Leibgebundenheit überwindet und zum Geiste emporwächst.
aus «Die drei Jahre»; S.275f
Ergänzung
2a Kreuzen ist weder berühren noch aneinander vorbeigehen. Kreuzen bedeutet: durchdringen [und damit verwirbeln]. Und in diesem Durchdringen die Möglichkeit einer Umwandlung zu eröffnen. Im kreuzend Sich-Durchdringen wirkt eine Potenz, die jedes Erfassungsvermögen übersteigt. Eine Potenz, die aber in dem Kreuz als Zeichen und als Bild anerkannt werden kann. Es geht um die Kraft, die imstande ist, alles Lebendige zu umspannen und zusammenzuhalten.
2b Auf eine solche Weise zu umspannen, dass keiner verloren geht. Das ist die horizontale Dimension des Kreuzes. Und diese Dimension wird unaufhörlich von dem durchzogen, was aus den Höhen zu den Tiefen herabsteigt. Und das nach dem Kreuzen mit der Dimension des Horizontalen aus den Tiefen wieder aufsteigen kann: die vertikale Dimension.
2c Da, wo beide sich kreuzen, begegnen sich sowohl das Bedürfnis, gerettet zu werden, als auch die Notwendigkeit einer Heilung, die alle Geschöpfe betrifft. Erst da wirkt die Kraft des Erlösers [Erlösenden]. Und wir werden [leiblich] gerettet und [seelisch] geheilt.
Christine Gruwez
in »Das Goetheanum« 15-16·2022; S.12
https://wfgw.diemorgengab.at/zit/WfGWzit000830275.htm