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Neudenken:
Kirche und Moschee
Hunderttausend Dinare für eine Kathedrale! [...] Das ist mehr als eine Geste, die für sich schon etwas wiegt in einer Zeit, die keine Hemmungen hat, Tempel einzuäschern, heilige Bilder zu zerschlagen und eine Irminsul zu fällen.[a] Freilich, in den Tagen der Eroberung haben Tariks [b] Berber auch viele Kirchen zerstört. Aber die Kathedrale des heiligen Vinzenz [c] haben die Christen Cordobas ausbessern und regelmäßig für ihren Gottesdienst benutzen dürfen. Das war ihnen vertraglich zugesichert. Die Eroberer dagegen haben sich am Rand der Stadt ihre einfachen Gebetshäuser gebaut.
Da lassen die aus Medina ausgewanderten Kampfgefährten und „Verteidiger” des Propheten mit ihrem Anhang und vollends die neue Welle der Araber aus Syrien die Bevölkerung Cordobas derart anschwellen, daß der Bau einer Hauptmoschee in der Regierungshauptstadt dringlich wird. Für hunderttausend Dinare kauft Abd ar-Rachman [d] den Christen die Kathedrale ab. Mit dem Geld sollen sie ihre zerstörten Kirchen wieder aufbauen.
Die Muslime hätten jetzt in ihren rechtmäßig erworbenen Besitz einziehen oder das Gebäude ihren Bedürfnissen entsprechend umbauen können, wie die alten Kämpfer, des Bauens ungewohnt, es in ihrer anfänglichen Unsicherheit getan haben, als sie wie in Damaskus und Jerusalem christliche Kultbauten übernahmen.[e] So hat Abd ar-Rachmans Urgroßvater, der Kalif Abd al-Melik,[f] die Marienkirche Justinians auf dem Tempelplatz der Heiligen Stadt in die al-Aksa-Moschee umgewandelt und dessen Sohn Walid [f] die große Moschee in Damaskus aus der Johanniskirche umgebaut, die ihrerseits wieder aus den Steinen und Säulen des alten Jupitertempels errichtet worden war. Aber ob man sich nun in den Städten fremde Gotteshäuser mit nutzbar macht oder die riesenhaften Lagermoscheen für die kämpfende Truppe oder Garnison (wie die Ibn-Tulun-Moschee in Kairo und die Sidi-Okba in Kairuan) im freien Gelände errichtet - die Anlagen dieser Moscheen streben, von Ausnahmen wie dem sogenannten „Felsendom” und von den späteren Grabmoscheen abgesehen, doch alle mehr oder weniger dem gleichen Bautypus zu: dem Typ der Hofmoschee, zu der ein viereckiger, offener Hof gehört mit Brunnen für die rituellen Waschungen, rings umgürtet von einer festungsartigen Umfassungsmauer und herumlaufenden, schattenden Säulenreihen, die sich in Gebetsrichtung zu einer Art überdachter Halle vertiefen. Ihr Vorbild hat dieser im einzelnen auf Uraltes zurückgehende Bautypus etwa in der Anlage des vorislamischen Tempels von Sirwach in Südarabien und noch zur Zeit Muhammeds in dem „Mussalla”, dem „Ort, wo gebetet wird”, das bei den Stämmen von Medina lange vor dem Bau der ersten islamischen Moschee im Gebrauch gewesen ist und vom Propheten bei besonderen Anlässen benutzt wurde.
Für den Omaijaden-Enkel in Andalusien jedenfalls sind Kirche und Moschee nicht miteinander zu vereinen. Er baut nicht mehr um, und er hat es nicht mehr nötig. Über die erste Zeit des unsicheren Tastens ist man hinaus. Abd ar-Rachman läßt die Kirche, für die er so viel Geld ausgegeben hat, abreißen und einen neuen Bau aufführen,[g] wobei die alten Säulen mit verwendet werden.
Aber die Anlehnung an fremde Bauformen ist weitgehend überwunden. Was man dabei übernommen hat und was man an altem Baumaterial mitverbaut, das dient einem anderen, eigenen, selbständigen Baugedanken, das ist eingegangen in eine Architektur, die ganz und gar Ausdruck eben jenes Geistes ist, der in diesem Haus seine Stätte haben soll, des Islams. Und obgleich die Auftraggeber sich auf Baumeister, Maurer und Handwerker verschiedenster Herkunft verlassen, erwirbt die arabische Baukunst eine überzeugende Reinheit des Stils und eine unverkennbare Individualität. Diese lugt keineswegs nur aus einzelnen charakteristischen Eigenheiten hervor, die sich mit dem islamischen Ritual herausbilden: wie dem Mihrab, der Nische, die die Gebetsrichtung angibt, dem Mimbar, der Kanzel, und dem Minarett, von dem der Muezzin zum Gebet ruft. Sie blickt aus dem Ganzen der arabischen Moschee heraus. Und hat nun, selbst wenn ihr Dach auf Säulen einstiger christlicher Kirchen ruht, nichts, gar nichts etwa mit der Kirche gemein, falls sie es überhaupt jemals gehabt hat. Kirche und Moschee, sie bedeuten für ihre Gläubigen von vornherein Grundverschiedenes.
Sigrid Hunke
aus «Allahs Sonne über dem Abendland»; S.284ff
Unsere Anmerkungen
a] Columban etwa liess Götzenbilder öffentlich zerschlagen. Bonifatius wiederum fällte die Donareiche (ein Bild der das All tragenden Irminsäule) zu Geismar.
b] Ibn Said Tariq, der Eroberer Spaniens ab 711
c] die auf den Grundfesten eines römischen Tempels errichtet worden war
d] Als erster Emir von Cordoba war Abd er-Rachman I. um Frieden und Zusammenhalt bemüht.
e] Wie viel später wieder die Osmanen: als diese am 29.V.1453 Konstantinopel erobert hatten, widmeten sie die Hagia Sophia selbigentags in eine Moschee um.
f] Abd el-Melik war der 7.Chalif (chalīfat rassūl Allāh ~ Nachfolger des Gesandten Gottes), Walid I. dementsprechend der 8.
g] nämlich die Mezquita (span. für masdschid ~ Moschee), welche 1236 in eine Kirche umgeweiht wurde (mit Kreuz auf dem Minarett)
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn201505.htm