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Neudenken:
Opfer der Brahmanen
Diese dreifache Identifikation Prajâpatis mit dem Universum, der zyklischen Zeit (dem Jahr) und dem Feueraltar ist die große Neuheit der brâhmanischen Opfertheorie. Sie kennzeichnet den Niedergang der dem vedischen Ritual zugrunde liegenden Auffassung [a] und bereitet die Entdeckungen der Upanishadenautoren [b] vor. Die grundlegende Idee ist die, daß Prajâpati sich durch seine Schöpfungen vermittels „Erhitzung” und immer neuer „Emissionen” verzehrt und schließlich erschöpft. Die beiden Schlüsselbegriffe - tapas (asketische Glut) und visrij (versprühte Ausstrahlung) - können auch indirekte bzw. andeutungshafte sexuelle Konnotationen haben, denn Askese und Sexualität [c] sind im religiösen Denken Indiens eng miteinander verbunden. Der Mythos und seine Bilder übertragen die Kosmogonie [d] in biologische Begriffe. Aus dem Seinsmodus von Welt und Leben selbst folgt, daß sie sich allein aus ihrer Dauer schon erschöpfen (18). Prajâpatis Erschöpfung wird in ergreifenden Bildern ausgedrückt: „Nachdem Prajâpati die Lebewesen aus sich entlassen hatte, waren seine Gelenke ausgerenkt. Prajâpati aber ist zweifellos das Jahr, und seine Gelenke sind die beiden Nahtstellen zwischen Tag und Nacht (d.h. Morgenröte und Dämmerung), sind Voll- und Neumond und der Beginn der Jahreszeiten. Er vermochte nicht, sich mit seinen ermatteten Gelenken zu erheben; die Götter heilten ihn durch (das Ritual des) agnihotra, indem sie seine Gelenke wieder kräftigten” (Sat. Br. I, 6,3,35-36). Anders ausgedrückt, die Wiederherstellung und Einrenkung des kosmischen Leibs Prajâpatis geschieht durch das Opfer, d.h. durch die Errichtung eines Opferaltars zur Feier des agnicayanas [e]. Im gleichen Werk (X, 4,2,2) lesen wir, daß „dieser Prajâpati, das Jahr, aus 720 Tagen und Nächten besteht; daher enthält der Altar 360 Umfassungssteine und 360 Ziegelsteine”. „Dieser Prajâpati, dessen Gelenke ausgerenkt waren, ist (nun) der hier erbaute Feueraltar.” Die Priester stellen Prajâpati in seinem „Ebenbild” (samskri) wieder her, indem sie die Ziegelsteine für den Altar aufschichten. Letzlich wiederholt also jede Opferung den ursprünglichen Schöpfungsakt und gewährleistet die Kontinuität der Welt für das folgende Jahr.
Die ursprüngliche Bedeutung des Opfers in den Brâhmanas lag in der Wiedererschaffung des „ausgerenkten” und „erschöpften” Kosmos durch die zyklische Zeit (das Jahr). Durch das Opfer - d.h. durch das eifrige Bemühen der Priester - wird die Welt lebendig, vollständig und fruchtbar erhalten. Das ist eine neue Anwendung der archaischen Vorstellung, daß es einer jährlichen (oder periodischen) Wiederholung der Kosmogonie bedürfe. Es ist aber auch die Rechtfertigung für den Hochmut der Brahmanen,[f] die von der entscheidenden Bedeutung der Riten überzeugt waren. Denn „die Sonne würde nicht aufgehen, brächte nicht der Priester beim Anbruch der Morgenröte das Feueropfer dar” (Sat. Br. II, 3,1,5). In den Brâhmanas werden die vedischen Götter ignoriert bzw. den magischen und schöpferischen Kräften des Opfers untergeordnet. Sie verkünden, die Götter seien zunächst sterblich gewesen (Taitt. Sam. VIII, 4,2,1; usw.) und erst durch das Opfer göttlich und unsterblich geworden (ebd. VI, 3,4,7; VI, 3,10,2; usw.). Fortan hat alles in der geheimnisvollen Kraft des Ritus seinen Mittelpunkt: Ursprung und Wesenheit der Götter, sakrale Macht, Wissenschaft, Wohlergehen in dieser Welt und „Nicht-Tod” im Jenseits. Aber das Opfer muß korrekt und gläubig dargebracht werden: der geringste Zweifel an seiner Wirksamkeit kann zerstörerische Folgen haben. Zur Veranschaulichung dieser rituellen Doktrin, die zugleich Kosmogonie, Theogonie [g] und Soteriologie [h] ist, vervielfachen die Autoren der Brâhmanas die Zahl der Mythen oder Mythenfragmente, indem sie diese in neuer Sicht umdeuten oder einfach von einer frei erfundenen Etymologie, einer gelehrten Anspielung oder einem Rätsel neue Mythen schaffen.[i]
Mircea Eliade
18) Bekanntlich charakterisieren ähnliche Vorstellungen die archaischen Kulturen, und zwar in erster Linie die Kulturen der altsteinzeitlichen Pflanzer.
aus «Geschichte der religiösen Ideen - Bd.1»; S.213f
Unsere Anmerkungen
a] Der vedische Kult (ca. 1200v-900v)) kannte keine Heiligtümer. Die pflanzlichen oder tierischen Opfergaben wurden auf drei Feuerstellen im oder vor dem Haus dargebracht, wobei zwischen Hausriten (grhya) und priesterlichen Feierriten (srauta) unterschieden wurde.
b] Die Denk- und Lehrschriften Upanischaden (ca. 700v-200v) haben sich aus den Brahmanas (Ritualtexte für Priester) entwickelt.
c] vgl. Mbl-B.30
d] (Lehre von der) Entstehung des Kosmos (der offenbaren Ordnung)
e] die „Schichtung des Feuers” (nämlich der Altarsteine), ein in den Veden bekanntes Zeremonialsystem
f] ein das Ego aufblähender Hochmut, der sich bis heute unter Priestern jedweder Robe zeigt
g] (Lehre von der) Herkunft Gottes oder der Götter
h] Heilslehre (von ho sotér ~ Erhalter, Retter)
i] Das Auftreten von (neuen) Inspirationen (vgl. Mbl-B.33b) scheint dem Verfasser unvorstellbar. Diese Borniertheit erinnert an die Ablehnung aktueller Offenbarungen seitens späterer „Brahmanen” wie Oberrabbiner, Bischöfe, Ajatollahs und ähnlicher Männer.
https://wfgw.diemorgengab.at/tzn201301.htm