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Bericht über den Sommerkurs in Hörbranz 2005

Sonntag, 24.Juli

Der Sonntag Nachmittag hatte fröhlich begonnen. Alle dreizehn Teilnehmer/innen zeigten sich zufrieden mit ihren Quartieren an verschiedenen Orten ringsum und begeistert vom Seminarraum, einer nett umgebauten Scheune in Hörbranz, wo wir von der Vermieterin mit Kaffee, Tee und Kuchen herzlich begrüsst wurden. Gelegentliche Regengüsse scherten uns nicht weiter und nach der Vorbesprechung genossen wir das üppige Abendessen im benachbarten Landgasthof, genossen es bis zum Abendvortrag.

Mühsam der inneren Schwere trotzend wurden wir mit dem Bild der Peripatetiker (sinnend Einherschreitenden) aus der Akademie des Aristoteles, Platons Schüler, in Zeitgestalten Raumergreifen eingeführt. Dabei wurde auf Raffaellos grandioses Gemälde "Die Schule von Athen" im Vatikan gewiesen. Allein der komplexe geisteswissenschaftliche Ansatz machte uns das Verdauen nicht eben leichter.

Montag, 25.Juli

Eine eröffnende allgemeine und, nach der Teepause, eine recht wilde Gesprächsrunde haben am Montag den Kursnachmittag gekennzeichnet. Von allerhand Wortmeldungen zum ohnehin ausgreifenden Thema sind wir bis zum erschossenen Brasilianer in London und den Tätern von Scharm el-Schejk [a] gekommen! Das bewegte uns Teilnehmer/innen eben. Nur beim Abendessen liessen wir diesmal Vorsicht walten; die meisten begnügten sich mit Mitgebrachtem, das sie vor dem Seminarraum unter stürmischen Wolken verzehrten.

Der Abendvortrag war von prasselnden Regenfällen untermalt, die kräftige Blitze und entsprechendes Donnergrollen zur Unterstützung mitbrachten. Einige war hingerissen, manch andere zuckten eher zusammen. Gleichwohl haben wir zum Thema zurückgefunden. Aus imaginativer Sonnenperspektive wurden Erde und Mond in ihrer blaugrünen Melierung geschildert, in der Goldfäden aufscheinen und wieder verschwinden, besonders zu einer Zeit, da Erde-Mond (von der Sonne aus) gegen Anfang der Jungfrau steht, fast schon im Löwen. Dann bewegte sich das Schauen Richtung Erde-Mond, bemühte sich, ihr Bewusstsein gegenüber der Schwere aufrechtzuerhalten, und tauchte in die dichte sublunare Sphäre ein, um im Zentrum der Verdichtung zu landen, auf der Erde. Dort angekommen ging es darum, die Zeitgestalt des Planeten kennenzulernen, seine Biographie, wenn wir ihn schon als Lebewesen betrachten, eine Biographie, deren Rhythmen freilich nur in geologischen Zeitmassen zu begreifen sind. Was ist die Erde, wie ist sie zur Erde geworden und was ist ihr Sinn (Erdenlogos)? Ihre klassische Schalenstruktur wurde ausgeführt und ihr seltsamer Gestus, von aussen nach innen zu erhärten, abzusterben, Ausdruck ihrer demütigen Hingabe trotz manchen Beben und hinundwieder rülpsenden Ausbrüchen; auf der anderen Seite ihre unbeirrbare Hoffnung auf Erlösung. Nebenbei wurde auch der Mensch erwähnt, wie er als Menschheit die Oberfläche des Planeten besiedelt; sein dramatisch zunehmendes Mass an Verantwortung blieb nicht unerwähnt, wiedereinmal. Die drei elementaren Ausgestaltungen der Erde vor ihrer physischen wurden nicht vergessen, Ursprung der Elementarwesen, aus denen unsere Naturgeister geworden sind. Und endlich kam die Rede wiederum aufs feine Gold, das nach einer kurzen, besonderen Dunkelphase immer dann neu zu schimmern beginnt, wenn die Sonne (von der Erde aus) gegen Anfang der Fische steht, fast schon im Wassermann. Manche nennen es Ostern, das nicht ohne Karwoche geschehen kann. Aber die Erfüllung der Erdenhoffnung wieder in die Sonne heimzukehren ist vom Willen des Menschen abhängig geworden.

Dienstag, 26.Juli

Die Witterung beruhigte sich. Ein grauer Hochnebel verzögerte den Durchbruch der Sonnenstrahlen. In gelöster Atmosphäre entspann sich das Gespräch über das Wesen der Erde in seinen komplexen, teils intimen, teils dramatischen Erscheinungsformen, welche dank der fröhlichen Tee- und Abendpause auszuhalten waren.

Gegen Abend brach die Sonne hervor, und der Vortrag begann im lichtdurchfluteten Raum. Wieder wurde die geistige Sonnenperspektive eingenommen, um aus ihr den Adam Qadmon, den allumfassenden Urmenschen, zu betrachten, imaginiert als eine in allerlei Braun- und Ockertönen glimmende, dauernde, leicht rotierende Sphäre, die deutlich ein Inneres vom Kosmos abschirmt. Dieses Innere wird je nach Hierarchie unterschiedlich fokussiert und bearbeitet, indem deren Impulse spitz auf der Sphärenhaut auftreffen und von dieser wellig tönend in den Adam Qadmon eingeprägt werden. Das setzt ihn in spezifische verdichtende Schwingungen. Ein verfrühtes Schwerwerden verhindert er, indem er das Zuviel an Dichte in seinen Brennpunkt ablegt, wodurch sich die Grundlage des späteren Mineralreiches bildet; im Gegenzug hellt sich die Sphäre ein wenig auf. Noch zweimal erleichtert sich der Urmensch: Pflanzen-, dann Tierreich werden herausgetrieben, und die verdünnte Sphäre beginnt allmählich zu strahlen. Jetzt erkennen wir eine vierfarbene Gliederung, die sich aus zweimaliger Abschnürung der Ursphäre durch die CHERUBIM [b] ergeben hat: der Mensch als Viergetier [c]. Allmählich setzt ein Auflösungsprozess ein: farbige Bänder sinken strudelnd ins Sphäreninnere, verlöschen im schwer gewordenen, kreiselnden Brennpunkt, um dann als Funken auf ihm aufzutauchen. Der Mensch hat begonnen, sich auf der Erde zu inkarnieren; Menschheit wird. Nur kurz verweilen die Funken auf dem Brennpunkt, dann verglimmen sie und tauchen als dunkelfarbige Bänder wieder im Umkreis auf, streben hellerwerdend zum Rand der Sphäre, wo sie entschwinden. [d] Die ganze Sphäre wandelt sich in ein durchlässiges, bewegt schillerndes Gefüge. - Heute erlebt sich der einzelne Mensch als Individuum (latein.: unteilbar) in einer Welt aus Atomen (griech.: unteilbar) und verhält sich damit notwendig widersprüchlich zu seiner Herkunft und zur Erde. So gerät er in Konflikte mit allen übrigen, der Natur und sogar dem Kosmos. Der Zeitgestalt des Menschen fehlt noch der Zukunftsaspekt. In den Tiefen des Menschen ruht nämlich, oft verschüttet, die Hoffnung auf künftige Einheit. Das einfältige Gerede von der "Globalisierung" gibt ein Zerrbild davon. Ob Frau oder Mann, der Mensch ist aufgerufen, seine Zukunft selbst zu entwickeln, indem er in Freiheit Verantwortung übernimmt. Die Erde wartet darauf.

Mittwoch, 27.Juli

Ein warmer Tag liess befürchten, dass der Seminarraum stickig werden würde, aber das Konzept, erst am mittleren Nachmittag zu beginnen, ging auf und die Atmosphäre wurde immer erträglicher. Die beiden Gesprächsrunden vor dem Hintergrund AdamQadmon-individuellerMensch-Menschheit waren gekennzeichnet vom lebhaften Interesse an den diversen Ausdrücken menschlicher Erscheinung bis hin zu Extremen.

Nach der von allen geschätzten Abendpause begann der Versuch einer vorläufigen Synthese. Zunächst wurde der Mensch in den verschiedenen Zeitausdrücken (Dauer, negativer und positiver Zeitfluss) erfasst, in seinen Rhythmen untersucht;[e] dann sein Raumergreifen am Beispiel des Schreitens erläutert. Wieder wurde das Bild "Die Schule von Athen" bemüht, vor allem die Haltung der beiden Hauptdarsteller im Gespräch und des weissgekleideten Jünglings. Auf grosse Menschheitsgesten wie etwa die Völkerwanderung wurde ebenfalls hingewiesen. In einem zweiten Schritt kam der ganz andere Zeitumgang der Erde zur Sprache, ihr mütterlich langer Atem, dessen Zeitgestalt sich in Etappen von bestimmter Dauer (Epochen) ausdrückt. Ihre raumgreifende Hauptgeste wurde als eine Art singender Tanz ums dahinziehende Zentralgestirn beschrieben mit der Mondensphäre als feinem Schleier. Deutlich sieht sich der Mensch eingeladen, seine Teilnahme an diesem Tanz wahrzunehmen und bewusst zu greifen. Brücken konnten sichtbar werden, welche die abgründigen Widersprüche zwischen Erde und Mensch überwinden und einen Dialog ermöglichen. Dem abschliessenden Weitblick offenbarten sich Erde und Mensch vereint im Logos.

Donnerstag, 28.Juli

Nun war es richtig heiss geworden. Dennoch entwickelte sich ein angeregtes, wieder ausuferndes Gespräch. In der zweiten Runde kam die Rede auf die Wolkenlandschaften, deren Formen sich fortwährend wandeln. Wolken beobachten kann ein guter Einstieg in die Lebenskräfte-Forschung sein.

Der Abend brachte eine Premiere: zum ersten Mal bei dieser Art Seminar kam es zum Einsatz von Video-Sequenzen. Einführend wurden die Gründe dafür dargestellt. Zwar können weder Photographie, noch Film oder gar das Fernsehen als Grundlage der Urteilsbildung über die Wirklichkeit dessen dienen, was sie zeigen. Sie üben jedoch eine meist berechnete Wirkung aus, welche die Menschen und damit die Öffentlichkeit anregt und beeinflusst, von der intimen Beeinflussung der Individuen ganz zu schweigen. Der Umstand, was wem wann wie gezeigt wird, ist als Gradmesser des jeweilig erreichten Zivilisationsstandes verwendbar. Und was künstliche Bilder in der eigenen Seele auslösen, kann bei vorsichtiger, aufmerksamer Selbstbeobachtung allerhand Aufschlüsse geben.

Zuerst wurde die Eröffnungsszene aus dem 1983 fertiggestellten Film "The Right Stuff" vorgeführt: eine rasante Kamerafahrt durch Wolkenhaufen, die auf einem Testflugplatz in einem Feuerball endet; dann die Eröffnungsszene aus dem 1997 gezeigten "Contact": eine geradezu atemberaubende Rückwärtsfahrt von der dröhnenden Erde weg am Mond vorbei, den Planeten, durch Sternhaufen und Galaxien in die Tiefen des Weltraums, der sich schliesslich im Auge eines Mädchens spiegelt; danach die berühmte Einleitung ins Meisterwerk "2001: A Space Odyssey", welches ein Jahr vor der Mondlandung in den Kinos anlief: das Aufgehen von Erde und Sonne über der dunklen Mondkugel zu den Klängen der "Zarathustra"-Eröffnung; und zur Abrundung aus demselben Film die Szene, in der ein roter Astronaut freischwebend ein schwarzes Gerät in der grell weissen Kommunikationsantenne eines gewaltigen Raumschiffs austauscht. - Vier künstlerische Ansätze zu Zeitgestalten Raumergreifen. Nach jeder Sequenz wurde das Gesehene besprochen, auf die entstandenen Eindrücke hin geprüft und kurz hinterfragt. Inzwischen hatte eine angenehm kühle Abendbrise zu wehen begonnen.

Freitag, 29.Juli

Der Wetterumschwung brachte eine drückende Nachmittagsstimmung in den niedrigen Seminarraum, und das von unbekümmerten Bauern frisch ausgebrachte Wiesendeo konnte unser Wohlbefinden ebensowenig steigern. Die am Vorabend gezeigten Filmausschnitte halfen kaum dabei, eine Vorstellung vom künstlerischen Tun und Wirken des Menschen zu erringen. In den Vordergrund rückte allerdings die soziale Relevanz der Kunst. Kultur konnte von ihrer Herkunft bis zur Zivilisation als verwandelte Natur begriffen werden. Die Frage nach ihrer Bedeutung für die Erde blieb weiter gestellt.

Während der Abendpause setzten Regen und Sturmböen ein, welche Wärmestau wie Geruchsintensität einigermassen linderten. Der Vortrag schilderte das Entstehen von Kultur am Beispiel des St.Galler Raumes im Frühmittelalter. Ein pinselstrichartiger Überblick über den Hellenismus und das römische Weltreich bis zu seinem Verfall im V.Jahrhundert unter Erwähnung des Bildung wahrenden Schreibens vom Römer Boethius in der Todeszelle des grossen Goten Theoderich liess erahnen, auf welchen Grundlagen nebst ihren eigenen keltischen die Iren Columban und Gallus im östlichen Bodenseeraum erste Keime einer neuen Kultur legen konnten. Die Gründung (719) eines Klosters über dem Grab Galli durch den Mönch Audomar aus Churrätien löste eine reiche Entwicklung aus. Insbesondere dank der von Anfang an ausgeübten bibliothekarischen und landschaftspflegenden Arbeit der Mönche entstand bald ein kulturelles Zentrum, welches sich mit der Reichenau und ähnlichen anderen bis Frankreich, gar Irland vernetzte. Gelegentliche Magyareneinfälle oder das spätere Stadtbürgertum konnten nicht verhindern, dass die jahrhundertelang gegebenen Impulse bis heute rund um den See sowie im Alpstockgebiet, Rheintal und deren Hinterland wirksam blieben. Wie aber hat die Erde diese zivilisatorische Entfaltung aufgenommen und begleitet?

Samstag, 30.Juli

Am heutigen Nachmittag konnte der Blick etwas vertieft werden, während es draussen wieder zu regnen anfing. Kultur, der Natur vom menschlichen Schaffensdrang abgerungen, kann sich in schöpferischem (eben nicht bloss kreativem) Tätigwerden zur schaffenden oder aufnehmenden Kunst steigern. Über Zivilisationserscheinungen nimmt die Erde den Wirkungsgrad des Menschen wahr.

In der Abendpause speisten wir gemeinsam rustikal im dörflichen "Sannwald", was eine gewisse Auflockerung brachte, sodass der Vortrag eine Viertelstunde später begann.

Der Leichnam mit den ihm ein menschliches Leben lang eingeprägten Forminformationen wird vom Planeten gelesen. Durch jede kleinste Kulturtat, schon im Beschaffen von Nahrung, Zubereiten und Aufnehmen (Riechen, Kauen, Schmecken), prägt der Mensch seinen Formleib.[f] Der wird von der Erde aufgenommen wie ein Buch, das ihr vom aktuellen Stand der Menschheit berichtet, den sie dann über die Mondensphäre dem Kosmos spiegelt. Unmittelbar im Lebendigen geschieht das sogar während jeden Schlafes, woran ja der Engel mit den verschiedenen zugehörigen Elementarwesen entscheidend beteiligt ist. Der Planet nimmt das in seine Gegenwart, sein zeitflussloses Gesamtgedächtnis auf. - Der Mensch kann nun üben, mit seinen Lebenskräften hygienisch umzugehen und damit die Prägungen ins Physische bewusst mitzugestalten. Indem er sein kulturelles Handeln mit Dankbarkeit und Hingabe durchdringt, beginnt er, sich zu wandeln, worin sich Christuswirksamkeit offenbart. Gerade im künstlerischen Prozess erhält dankbare Hingabe einen ganz besonderen Stellenwert; in Hinkunft wird sie ein Merkmal wahrer Kunst sein und nur solche wird die weitere Entwicklung fördern. Just daran, wie innig ein Menschenwesen jene christustragende Dankbarkeit gelebt hat, erfährt die Erde immer wieder deutlich, wie lange ihr Weg zur Sonne noch dauern mag.

Sonntag, 31.Juli

Wie gegen Ende solcher Kurse üblich, wurden in den letzten beiden Gesprächsrunden allerhand Einzelfragen feuerwerksartig behandelt. Immer wieder tönte Zeitgestalten Raumergreifen an, auch als es um die Erde-Mond-Farbigkeit, den Urmenschen, Zeitumstände oder gar um Mumien ging. Die Schlussworte allerdings rückten die wirkende Dreigestalt Erde-Christus-Mensch ins Bild. Alle spürten mit Bedauern, wie kurz eine erfüllte Woche währt, selbst wenn zwischendurch Langwierigkeiten auftreten.

Eine Evaluationsrunde, die doch einige Kritik an den Kursbedingungen (Raum, Quartier, Gemeinschaftsbildung, Erholungsmöglichkeiten) zutage förderte, schloss den Sommerkurs ab. Nach herzlichem Verabschieden verstreuten sich die Teilnehmer/innen zügig in alle Winde.

 

Unsere Anmerkungen

a] Bombenanschlag auf Touristenhotels am Morgen des 23.VII.2005
b] vgl. Mbl.14
c] Stier-Löwe-Adler-Mensch
d] vgl. Mbl.8
e] vgl. Mbl.6: Anm.>G>
f] vgl. Mbl.5

https://wfgw.diemorgengab.at/archiv/WfGWhbr2005.htm